Strategie: Immer Richtung Nordstern

STRATEGIE Strategische Personalplanung sollte in jedem Unternehmen, egal ob klein oder groß, Teil der Unternehmensplanung sein. Sie sorgt dafür, dass zu jeder Zeit qualifizierte Mitarbeiter*innen zur Verfügung stehen. Ein Leitfaden.

Dieser Artikel ist in der Südtiroler Wirtschaftszeitung SWZ vom 11. September 2020 erschienen.

Bruneck – Das Umfeld, die Märkte und die Anforderungen der Kund*innen verändern sich stetig und immer schneller. Denken Sie daran, dass Facebook gerade mal vor 17 Jahren gegründet worden ist und erst vor zehn Jahren das iPhone auf den Markt kam, so wie wir es heute kennen: gutes Aussehen, große Bildschirme, leistungsstarke Prozessoren und Kameras. Damit überwogen 2011 Smartphone-Verkäufe erstmals gegenüber klassischen Mobiltelefonen. Heute sind beide und noch viele weitere technische Mittel, Plattformen und Applikationen Teil unseres Lebens geworden, unser verlängerter Arm, wenn wir so wollen. Zehn Jahre sind heute eine Ewigkeit. Wir können davon ausgehen, dass in den verschiedenen Branchen sich in den nächsten fünf Jahren mehr verändern wird als in allen vergangenen Jahrzehnten. Bedingt durch technologische Durchbrüche sowie künstliche Intelligenz, basierend auf dem Moore’schen Gesetz, sprich die stetige Verdoppelung der Computerleistung alle 18 bis 24 Monate und ihre Verfügbarkeit zu einem nahezu unveränderten Preis bedeuten für Unternehmen, dass die Preise für alle Arten von digitalen Gütern sinken und die Leistung exponentiell steigen werden. Ein sich immer schneller drehendes Schwungrad, wenn wir uns die Auswirkungen vor Augen führen.

Wer vom Ziel nichts weiß, wird den Weg nicht finden

Und wie begegnen wir dieser Geschwindigkeit in unseren Unternehmen? Finden auch Sie sich immer wieder in Strategie-Überarbeitungsprozesse eingebunden, in denen man versucht, Zehnjahresstrategien umzuschreiben? 75 Prozent der traditionellen langfristigen Strategien werden nicht umgesetzt, und nicht erst seit Corona, das war auch vorher schon so. Zehnjahresstrategien werden mindestens alle fünf, und immer öfter alle zwei bis drei Jahre überarbeitet und an neue Gegebenheiten angepasst. Es stellt sich also die Frage, wie sinnvoll es überhaupt ist, Fünf- bis Zehnjahresstrategien zu entwickeln, wenn es de facto nicht mehr möglich ist, so viele Jahre in die Zukunft zu blicken. Planung gibt Sicherheit, klar. Aber wie viel Zeit und Ressourcen werden dafür investiert? Im Unterbewusstsein wohl wissend, dass das, was in diesem Moment ausgearbeitet wird, sehr wahrscheinlich in wenigen Jahren obsolet ist und wieder überarbeitet werden muss. Die Überlegung, in Ein- bis Zweijahresrhythmen zu denken und zu planen, wird immer konkreter und erweist sich als überaus sinnvoll, denn sie ist ein guter Kompromiss zwischen der nötigen Flexibilität, sich an die stetigen Veränderungen von Markt und Umfeld anzupassen, und dem Aufwand an Ressourcen, die zur Strategieplanung nötig sind. Natürlich planen wir nicht einfach ins Blaue und blenden die fernere Zukunft aus, das wäre fahrlässig, denn: Wer vom Ziel nichts weiß, wird den Weg nicht finden. Wir definieren ganz konkret, wohin die Reise gehen soll, unseren Nordstern, und wir legen den Rahmen fest, unsere Leitplanken. In diesem Raum können wir uns frei bewegen, je nachdem, welche Situation sich gerade am Markt entwickelt und vor welche Herausforderungen uns das Umfeld stellt. In diesem Rahmen definieren wir unsere Strategie und die konkreten Schritte zu deren Umsetzung.

Die Strategie soll kein mit sieben Siegeln verschlossenes Hoheitsgebiet der Geschäftsführung sein.

Dorotea Mader

Sieben Schritte

Die Umsetzung

Die aktuelle Situation hat zusätzlich viele Pläne zunichte gemacht. 2021 droht ähnlich turbulent zu werden wie 2020. Dem Gefühl von Kontrollverlust und Hilflosigkeit folgt oft der Impuls, sich am besten gar nichts mehr vorzunehmen. Doch genau das wäre fatal! Dauerhafte Unsicherheit überfordert uns mental, die Folge sind Ängste und Depression. Die Forschung zeigt, dass es für unsere Leistungsfähigkeit und mentale Gesundheit wichtig ist, Ziele zu verfolgen, die für uns Bedeutung haben. Wer selbst steuert, erhöht die Zufriedenheit und ist weniger stressanfällig.

1. Der Rahmen: Die Ausarbeitung des Unternehmensleitbildes mit Vision, Mission und Values

Das Unternehmensleitbild definiert den Unternehmenszweck, die Frage danach, warum es uns gibt. Es beinhaltet Ausrichtung, Grundprinzipien und Werte, die das Unternehmen leiten. Es dient als strategischer Überbau, bildet das Big Picture, von dem sich Strategie und Ziele ableiten. Es zeichnet die Leitplanken, an denen alle Aufgaben und Projekte anknüpfen, es gibt der Organisation Orientierung und ist handlungsleitend für Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Das Unternehmensleitbild, vorausgesetzt, es wird im Unternehmen verankert, sprich heruntergebrochen auf die*den einzelne*n Mitarbeiter*in, führt dazu, dass sich die Mitarbeiter*innen mit dem Unternehmen identifizieren, dadurch die Motivation und somit die Leistungsbereitschaft steigen, sie sich vermehrt an das Unternehmen binden, folglich die Fluktuation sinkt und im Kontext das Image des Unternehmens als solches und als Arbeitgeber steigt.

Die Vision – Das langfristige Unternehmensziel. Der Kundennutzen

In erster Linie definieren wir unser übergeordnetes Ziel und finden eine konkrete, messbare und emotional überzeugende Antwort auf die Fragen: Warum gibt es unser Unternehmen? Welches Problem wollen wir lösen? Je konkreter, desto besser, denn „die Besten“, „die Erfolgreichsten“ oder „die Schnellsten“ ist als Wegweiser für die Organisation kaum brauchbar.

Eine gemeinsame Vision ist unser Nordstern, der Wegweiser in die Zukunft. Sie gibt die Richtung vor und definiert das große gemeinsame Ziel. Sie prägt die Loyalität der Mitarbeiter*innen, leitet deren Verhalten und stellt die Basis für die Entscheidungsfindung und die Ausarbeitung der Strategie dar.

Die Mission – Der Auftrag

Nachdem wir das übergeordnete Ziel definiert haben, arbeiten wir im nächsten Schritt das Wie aus, sprich: Wie wollen wir den Kundennutzen erreichen? Die Mission hat einen Ausblick von fünf bis zehn Jahren.

Eine Mission ist eine vereinheitlichende Aussage darüber, was eine Organisation wie zu tun hat. Durch das Herunterbrechen der Mission wird für jede*n Mitarbeiter*in klar, welchen Auftrag sie oder er in ihrem oder seinem Fachgebiet hat. Sie ist also handlungsleitend in der täglichen Arbeit und in der Ausarbeitung der konkreten Maßnahmen zur Erreichung des Unternehmenszieles, der Vision über die jeweilige Unternehmensstrategie.

Die Werte – Das Selbstverständnis

Das Wertegerüst eines Unternehmens antwortet auf die Frage: Wofür stehen wir, was macht uns aus? Die Werte sind grundsätzlich unendlich, erfahren jedoch im Laufe der Jahre Entwicklungen, da sie von den Menschen im Unternehmen geprägt werden.

Werte, oder auch Prinzipien sind die Überzeugungen einer Organisation, der Ausdruck dessen, wofür sie steht und wie sich die Menschen, die ihr angehören, verhalten sollen. Sie sind der Maßstab, an dem wir uns selbst und das, was wir gestalten, messen. Sie sind jene Dinge, bei denen wir bei Nichtbeachtung keine Kompromisse eingehen werden. Damit Werte keine leeren Wort­hülsen bleiben, werden sie konkretisiert, sprich sie beschreiben konkrete Handlungsweisen und die Haltung der Menschen in der Organisation in bestimmten Situationen.

Damit das Leitbild Sinn ergibt, muss es in der Organisation verankert und damit Teil des täglichen Tuns aller Mitarbeiter*innen werden. Wenn nach dem Roll-out des Leibildes die Mitarbeiter*innen Vision, Mission und Werte nicht verstehen, sich nicht damit identifizieren oder danach handeln, bleibt das Leitbild ein reines Lippenbekenntnis und jede in die Erstellung investierte Minute war verlorene Zeit.

2. Der Weg: die Ausarbeitung der Strategie

Nachdem wir den strategischen Überbau, das Big Picture, definiert und die Ausrichtung unseres Unternehmens gezeichnet haben, arbeiten wir im nächsten Schritt die Ein- bis Zweijahresstrategie aus. Wir planen kurzfristig! Können dadurch viel genauer vorausschauen, realistische Szenarien in die Planung einbeziehen und sind somit in der Lage, das Geplante auch umzusetzen. Langfristige Projekte wie z.B. Landes- und Filialeröffnungen oder bestimmte Produktionszyklen werden natürlich über mehrere Jahre geplant und die Umsetzungsschritte in die Jahresstrategien mitaufgenommen.

Die Strategie – Der Richtungsweiser. Der rote Faden

In der Strategie finden sich die Antworten auf die Frage: Was setzen wir wie und wann um, damit wir die Unternehmensziele erreichen?

In Anlehnung an das Unternehmensleitbild wird die Strategie konkretisiert und auf jeden Bereich, jede Abteilung, jede*n Mitarbeiter*in heruntergebrochen – gemeinsam mit dem Team!

Somit wird der Zusammenhang bzw. die direkte Ableitung der Strategie vom Unternehmensleitbild für alle nachvollziehbar und klar. Mitarbeiter*innen, die den Grund einer Aufgabe und den Sinn des großen Ganzen verstanden haben, sind um ein Vielfaches produktiver – und zufriedener.

3. Die Umsetzung der Strategie durch OKRs: Objectives and Key Results

Das OKR-Modell bezeichnet eine innovative Managementmethode und antwortet auf die Frage: Was setzen wir konkret in den nächsten drei Monaten um?

Diese Methode verbindet die Ziele des Unternehmens mit denen jedes einzelnen Mitarbeiters und setzt jeweils einen klaren Fokus im Drei-monatsrhythmus. Bei der Grundidee des OKR-Modells geht es darum, dass jedem Ziel, dem Objective, messbare Schlüsselergebnisse, die Key Results, zugeordnet werden. Sprich, konkrete Arbeitspakete werden auf alle Ebenen/Mitarbeiter*innen heruntergebrochen und somit die effektive Umsetzung nachgehalten und sichergestellt. In kurzen regelmäßigen Abständen werden die Erfolge gemessen und neue OKRs definiert.

Die konkrete Umsetzung der Strategie und somit auch die Messung werden durch diese Vorgangsweise zu einem ständigen Prozess im Unternehmen, wir sprechen von einem Rolling Forecast. Das Herunterbrechen von großen und oft unüberschaubaren Projekten, die genau deshalb dann oft im Sand verlaufen, auf kleinere und somit berechen- und nachhaltbare kleine Maßnahmenpakete (Etappenziele), steigert die Umsetzungsquote sensibel. Denn in kleineren Zeitabständen kann besser geplant, umgesetzt und geprüft werden. Die Maßnahmen werden über die gesamte Organisation hinuntergebrochen, jede*r Mitarbeiter*in kennt seinen/ihren Teilauftrag zur Umsetzung der Gesamtstrategie, weiß, wieso er/sie­ was macht und in welcher Zeit es umgesetzt wird. Die gesamte Organisation ist in den Prozess eingebunden. Was wiederum eine enorme Schlagkraft mit sich bringt, wenn wir bedenken, dass im Regelfall oft „nur“ das Management mit der Strategieumsetzung betraut ist.

Die Strategie soll also kein mit sieben Siegeln verschlossenes Hoheitsgebiet der Geschäftsführung sein. Je strukturierter und besser die Organisation in den Prozess eingebunden ist, desto größer der Erfolg in der Umsetzung und somit des Unternehmens!

Wie es schon Antoine de Saint-Exupéry formulierte: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“