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Südtiroler Wirtschaftszeitung - Wie gelingt es Unternehmen, dass Menschen ausgerechnet für sie arbeiten wollen?

Führungskräfte sind gefragter denn je, denn Management by comand & control funktioniert spätestens seit Corona nicht mehr. Tunlichst zu vermeiden ist Employer Branding Washing.

Bozen - Die Attraktivität als Arbeitgeber ist einer der kritischen Erfolgsfaktoren für Unternehmen in herausfordernden Zeiten, denn es sind immer die Menschen, die Unternehmen erfolgreich machen. Unternehmer:innen und Führungskräfte haben nun die große Chance in sowie mit ihren Organisationen eine attraktive Arbeitgebermarke zu entwickeln, demnach entsprechend als attraktiver Arbeitgeber im Unternehmen und am Markt wahrgenommen zu werden und somit Mitarbeiter:innen zu binden sowie Bewerber:innen aber auch Kundinnen und Kunden anzuziehen. Diese Potenzial gilt es nun zu heben. Dabei sind einige Trends zu beachten, die die Arbeit 2023 und darüber hinaus prägen werden.

Hybride und flexible Arbeitswelten

Seit 2020 haben Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen die Vor- und Nachteile von Remote- und hybriden Arbeitsmodellen erlebt. Viele Unternehmen haben ihre Arbeitszeitmodelle flexibler gestaltet, und auch die Viertagewoche wurde in Ländern wie England, Belgien, Island sowie Schweden erfolgreich getestet und überaus positiv angenommen. Mitarbeiter:innen sind heute nicht mehr bereit, die Flexibilität, die Work-Life-Balance und die Einsparungen, die ihnen die Remote-Arbeit ermöglicht, aufzugeben. Es wird daher ein Top-HR-Trend sein, diese neuen flexiblen Arbeitsmodelle richtig zu gestalten. Eine Gartner-Umfrage ergab, dass 58 Prozent der Organisationen, die Frontline-Mitarbeiter:innen (Mitarbeitende in Produktion, Verkauf, Montage, Lager, Service und Filiale, also alle, die nicht klassische Bürojobs machen) beschäftigen, in die Verbesserung der Mitarbeitererfahrung investiert haben. Etwa ein Drittel derjenigen, die dies nicht getan haben, plant dies in den nächsten zwölf Monaten zu tun. Flexible Arbeitsmodelle sind wichtig, um die Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu halten, jedoch bringt hybride Arbeit auch Herausforderungen wie die Etablierung und Aufrechterhaltung von Vertrauen, Zusammenarbeit und Performance innerhalb der Organisation mit sich, sprich eine gezielte positive Prägung der Unternehmenskultur und die Entwicklung ausgereifter Leadership-Kompetenzen. Das perfekte Modell des hybriden und flexiblen Arbeitens gibt es Stand heute noch nicht, muss es wahrscheinlich auch nicht geben, denn wir werden uns auch in diesem Bereich der ständigen und kontinuierlichen Veränderungen unserer Vuca-Welt fügen müssen.

Führungskräfte müssen sich weiterentwickeln

In der zunehmend hybriden Arbeitswelt ist der direkte Kontakt der Mitarbeiter:innen zur Führungskraft ausschlaggebend für die Identifikation mit der Unternehmenskultur und somit mit dem Unternehmen. Allerdings stehen Personen in Führungspositionen vor der Herausforderung, die Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen an Sinnhaftigkeit, Flexibilität und Entwicklungsmöglichkeiten mit den Anforderungen der oberen Führungsebene an Leistung und Performance in Einklang zu bringen. Das eine schließt das andere nicht aus. Im Gegenteil ermöglichen ein menschenzentrierter Ansatz, ein authentisches Auftreten und Führung auf Augenhöhe Nahbarkeit und Glaubwürdigkeit der Führungskräfte bei ihren Mitarbeitenden. Sie werden als Leader anerkannt, und Mitarbeitende sind demzufolge motiviert, ihnen zu folgen, und bereit, sich für Herausforderungen und die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen. Unternehmen werden demnach vermehrt auf Maßnahmen zur Schließung der Leadership-Kompetenzlücke setzen. Zudem müssen Managerprioritäten mit dem Fokus auf Mitarbeiterführung definiert werden, um eine bessere Ausrichtung der Rollen zu ermöglichen. Denn: Mitarbeiterführung geht nicht nebenher. Leadership ist eine Kompetenz, wie jede andere Fachkompetenz auch. Sie kann und muss erlernt werden sowie im Tagesgeschäft explizit Platz finden.

Soziale Fähigkeiten werden immer wichtiger

Nahezu alle Mitarbeitenden suchen nach einer Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln, und 44 Prozent haben das Gefühl, dass ihr derzeitiges Unternehmen keine überzeugenden Karrieremöglichkeiten bietet, so die erwähnte Studie von Gartner. Die Folge: Mitarbeiter:innen sehen sich nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten um, also entsprechenden Arbeitgebern. Dabei besteht der Wunsch nach Weiterentwicklung und Karriere für die jungen Generationen nicht mehr prioritär in einer vertikalen Karriere, sondern in der Möglichkeit, sich neue Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen anzueignen, also einer transversalen Karriere. Dabei sind Hard Skills (Fachkompetenzen) und Soft Skills bzw. Human Skills, also persönliche Eigenschaften wie Empathie, emotionale Intelligenz, Leadership und andere Fähigkeiten, die es einer Person ermöglichen, in einer sozialen Umgebung erfolgreich zu sein, komplementär. Die sozialen Fähigkeiten werden jedoch immer wichtiger, da die Arbeit in Teams und die Interaktion mit Kunden und Kundinnen sowie anderen Interessengruppen stetig zunehmen. Es ist für Unternehmen entsprechend zielführend, dass sie sicherstellen, dass Mitarbeiter:innen und Führungskräfte mit diesen Fähigkeiten eingestellt und gefördert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich die Organisation an die stetigen Veränderungen anpassen und die diversifizierten Kundenbedürfnisse erfüllen können.

Wohlbefinden und psychische Gesundheit

Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen der letzten Jahre manifestieren sich in Form von geringerer Produktivität und Leistungsfähigkeit, unerwarteten Kündigungen und Konflikten am Arbeitsplatz. Dieses Phänomen bewegt Unternehmen und Organisationen vermehrt dazu, ihre soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter:innen wahrzunehmen. Somit werden das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Belegschaft von immer größerer Wichtigkeit und entscheidender Bedeutung. Zufriedene und gesunde Mitarbeiter:innen sind produktiver, engagierter und kreativer. Auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist die "Verfügbarkeit" an Menschen endlich. Es liegt somit im Interesse jedes Unternehmens, in die langfristige physische und mentale Gesundheit sowie das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen zu investieren und dadurch die Produktivität und das Engagement der Belegschaft signifikant zu erhöhen und entsprechend die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen langfristig sicherzustellen. Demzufolge werden Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen in diesem Bereich vermehrt auf innovative Weise unterstützen. Dabei stehen vor allem die Aufrechterhaltung der emotionalen Stabilität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen im Vordergrund. Statt Ruhepausen nur als Notlösung nach Erschöpfung anzubieten, werden proaktive Ruhephasen vor Zeiten mit hohem Arbeitsaufwand angeboten. Möglichkeiten wie bezahlte Freizeit, keine Meetings am Freitag und Montag und zugewiesene Well-being-Zeiten werden dazu genutzt, die Mitarbeiter:innen zu entlasten. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Bereitstellung von Diskussionsmöglichkeiten, um schwierige Themen und Herausforderungen in einem neutralen Umfeld zu bearbeiten. In diesem Zusammenhang werden auch Traumatherapeutinnen und -therapeuten sowie Psychologinnen und Psychologen eingesetzt, um Manager:innen im Umgang mit Konflikten und schwierigen Gesprächen zu schulen und zu coachen.

Purpose, die Suche nach dem Sinn

Purpose am Arbeitsplatz bleibt ein hoch relevantes Thema. Purpose ist nicht nur eine Marketingstrategie, um das Image eines Unternehmens zu verbessern, vielmehr handelt es sich um einen authentischen Zweck, der den Mitarbeitenden ein Gefühl von Bedeutung und Sinn vermittelt. Mitarbeiter:innen, die in einem Unternehmen mit klarem Purpose arbeiten, sind motivierter, engagierter und leisten bessere Arbeit. Sie wissen, dass ihre Arbeit einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat und sind stolz darauf, Teil eines Unternehmens zu sein, das einen Zweck verfolgt, der über den Gewinn hinausgeht. Dabei geht es auch darum, den Unternehmenszweck mit ökologischen, sozialen und unternehmerischen Zielen zu verbinden und zu einem wichtigen Bestandteil der Arbeitgebermarke zu machen. Purpose ist somit ein wichtiger Faktor bei der Mitarbeiterbindung und -anziehung, aber auch bei der Kundenbindung und -akquise. Denn: Auch die Kundschaft ist immer mehr daran interessiert, mit Unternehmen zu interagieren, die einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt haben. Insgesamt ist Purpose also ein wichtiger Faktor für Mitarbeiter:innen und Unternehmen selbst.

Fazit: Unabhängig von Trends wird die Entwicklung und die Etablierung der Arbeitgebermarke immer mehr zum erfolgskritischen Hebel für Unternehmen. Doch Vorsicht vor Employer Branding Washing! Inhalte ohne Substanz, Versprechen, die das Unternehmen nicht halten kann, und Werte, die identisch mit denen von unzähligen anderen Unternehmen sind, sind zu vermeiden. Jedes Unternehmen ist einzigartig: diese Einzigartigkeit gilt es zu identifizieren und in der Arbeitgeberstrategie zu verankern.