Wir Frauen müssen lauter sein

Die Südtiroler Wirtschaftszeitung SWZ hat mit Esther Ausserhofer ein Interview für die Serie Jung&Hungrig geführt. Entstanden ist ein spannendes Portrait, welches Sie hier nachlesen können. Viel Spaß mit der Lektüre!

In jungen Jahren eine Führungs­position in einem der größten Südtiroler Unternehmen zu übernehmen, ist nicht einfach. Noch mehr durchsetzen muss man sich als junge Frau. Esther Ausserhofer, Verwaltungsrätin bei Dr. Schär, erklärt, wie das gelingen kann.

Wenn du nicht überlebst, hast du etwas falsch gemacht.

Esther Ausserhofer

Burgstall/Bozen – Eine offene Treppe dominiert den Firmensitz von Dr. Schär in Burgstall. Sie verbindet die vier Stockwerke des zwei Jahre alten Gebäudes. 300 Mitarbeiter finden hier Platz, wobei auch bei den Büros auf Offenheit und Transparenz geachtet wurde. Alles ist auf Kommunikation ausgerichtet, unter anderem die Mensa. Dort gibt es Gesundes, natürlich auch Glutenfreies, wo Dr. Schär doch europaweit führend in der Herstellung dieser Lebensmittel ist.

Maßgeblich an der Entwicklung des Headquarters beteiligt war eine junge Frau, Esther Ausserhofer, Tochter von Vizepräsident Walter Ausserhofer, Nichte des langjährigen Präsidenten Ulrich Ladurner, und heute selbst Verwaltungsrätin. Ausserhofer, Jahrgang 1985, wuchs in Sand in Taufers auf. Ihre Mutter Helga Thaler Ausserhofer saß von 1994 bis 2013 im Senat der Republik. Geschwister hat Ausserhofer keine, „leider“, wie sie selbst sagt, dafür eine Menge Cousins und Cousinen, außerdem ihre Pferde. „Meine gesamte Jugend habe ich im Reitstall verbracht“, schmunzelt sie.

Ausserhofers Curriculum spiegelt ihre vielfältigen Interessen wider. Nach Abschluss des Realgymnasiums in Bruneck studiert Ausserhofer an der Bocconi in Mailand, knüpft dort Kontakte und schließt Freundschaften, die bis heute bestehen. Zwischen Bachelor und Master nimmt sie sich eine Auszeit von der Uni, absolviert Praktika in den USA – und in Großbritannien, wo sie sich schließlich für den Studiengang „International Business“ einschreibt. Mit dem Diplom in der Tasche geht sie für zwei Monate nach Spanien, um ihre Sprachkenntnisse auszubauen, danach belegt sie einen Landwirtschaftskurs in Bruneck – „für den Pferdestall“. Zum ersten Mal kommt sie dann ins Grübeln: Noch mal weg? Ins Ausland? In einem großen Unternehmen lernen? Doch Ulrich Ladurner überzeugt sie: „So viel lernen wie bei uns kannst du sonst nirgends.“ So beginnt ihre Karriere bei Dr. Schär als Assistentin des CFO.

Für ihr erstes Projekt pendelt sie über eineinhalb Jahre lang zwischen Südtirol und Spanien, wo sie am Aufbau der Dr.-Schär-Filiale mitarbeitet. „Ich war sozusagen die Brücke zwischen der akquirierten Firma und unserem Unternehmen“, erklärt Ausserhofer. In dieser Zeit habe sie einen 360-Grad-Blick in die unternehmerische Tätigkeit erhalten, am spannendsten sei für sie jedoch der zwischenmenschliche und interkulturelle Aspekt gewesen. In der Folge hilft sie auch beim Aufbau anderer Filialen, unter anderem in Frankreich, den USA und Brasilien. „Wir haben immer im Team gearbeitet, eines ist aber fast immer an mich weitergegeben worden – der Personalbereich“, erinnert sie sich.

Genau in diesen Bereich rutscht sie so immer mehr hinein, beschäftigt sich mit Themen, die sie persönlich bewegen – effektive Zusammenarbeit, kontinuierliche Weiterbildung, Frauen in der Wirtschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Selbst Mutter von eineinhalbjährigen Zwillingsmädchen kennt Ausserhofer die Doppelbelastung nur zu gut. „Eltern Teilzeit anzubieten“, sagt sie, „ist die Voraussetzung dafür, dass sie nach der Geburt eines Kindes wieder in den Beruf zurückkehren können.“ Sie sagt bewusst Eltern, denn nur wenn sowohl Väter als auch Mütter Teilzeit in Anspruch nähmen, würde sich in der Gesellschaft wirklich etwas verändern. Mit einer Teilzeit von 80 Prozent könne man sich noch sehr gut im Job einbringen. „Natürlich muss man sich eingestehen, dass man etwas zurückschrauben muss, zugleich arbeitet man aber auch effizienter“, zeigt sie sich überzeugt. Noch sei es jedoch „traurige Realität“, dass bei Vorstellungsgesprächen und Beförderungen Frauen und Männer nicht vollkommen gleich beurteilt werden, oft auch unbewusst. „Die Umstände sind einfach noch nicht so, dass es total außer Acht gelassen wird. Dazu muss sich die Rolle des Mannes ändern. Das müssen wir Frauen zum einen einfordern, zum anderen aber auch zulassen.“

Um die eigenen Mitarbeiter*innen zu unterstützen, brachte Ausserhofer bei der Planung des Hauptsitzes in Burgstall den Bau einer firmeneigenen Kita ein. „Der Vorschlag wurde gleich von allen angenommen“, sagt sie. Rund 14 interne und 4 externe Kinder werden mittlerweile dort betreut. Zugleich appelliert Ausserhofer an die Politik, mehr in diesen Bereich zu investieren. Es brauche nicht nur eine umfangreichere Kleinkindbetreuung, sondern vor allem ein besseres Angebot für Kindergarten- und Schulkinder. „In der Kita können die Kinder noch recht flexibel hingebracht und abgeholt werden, danach wird es schwierig.“ Sie sei unter anderem auch deshalb dafür, die Arbeitszeiten verstärkt an die Bedürfnisse der verschiedenen Mitarbeiter anzupassen.

Als Verwaltungsrätin bringt sie diese und andere Vorschläge aktiv ins Unternehmen ein. Der Zukunft blickt sie optimistisch entgegen. Der Hype um glutenfreie Lebensmittel vor fünf Jahren habe die Konkurrenz verstärkt. „Das belebt das Geschäft“, stellt Ausserhofer fest. Und schließt: „Wenn du nicht überlebst, hast du etwas falsch gemacht.“


SWZ: Frauen in Führungs­positionen sind nach wie vor selten anzutreffen. Woran liegt das?

Esther Ausserhofer: Die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist sicherlich der Hauptgrund. Oft treten Frauen, nachdem sie Mütter werden, auch freiwillig einen Schritt zurück. Es gäbe zwar einige Vorbilder, doch über sie wird noch nicht genug gesprochen. Als Frau in einer Führungsposition braucht es Leidenschaft und Durchhaltevermögen. Diese zwei Komponenten bedingen sich gegenseitig. Noch mehr als bei einem Mann. Wir Frauen müssen die Dinge eben oft auch lauter und deutlicher sagen als Männer, um gehört zu werden. Wir dürfen aber ruhig selbstbewusster und weniger zaghaft sein, uns an den Tisch setzen und sagen: „Das ist meine Kompetenz, hier entscheide ich.“ Von Quoten halte ich hingegen nichts. Sie sind sicher ein notwendiges Übel, um auf ein wichtiges Thema aufmerksam zu machen, doch eigentlich bräuchte es die passenden Rahmenbedingungen, keine Vorschriften. Das gilt nicht nur für Führungspositionen. Gerade, wenn alle Welt vom Fachkräftemangel spricht, sollten wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen, wie wir 50 Prozent der Potenziale am Markt einbinden können.

Viele Unternehmen suchen mittlerweile im Ausland nach qualifizierten Mitarbeitern – auch Dr. Schär. Wie lockt man sie nach Südtirol?

Wir haben hierzulande eine florierende Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze, das ist keine Selbstverständlichkeit. Was viele nicht wissen: Wir haben auch zahlreiche Unternehmen, die qualitativ hochwertig und teils international arbeiten. Hier fehlt die entsprechende Kommunikation. Eine Aufgabe, die, wie ich finde, die Politik angehen müsste. Und die Unternehmen müssten proaktiv mitspielen. So könnten wir zum einen Südtiroler*innen im Ausland wieder zurückgewinnen, zum anderen auch attraktiver für Zuwanderer werden.

Zugleich müssten einige offene Baustellen angegangen werden. Erreichbarkeit und Mobilität sind für uns als Unternehmen zum Beispiel große Themen, aber auch für ausländische Mitarbeiter. Ich bin überzeugt, dass Bozen einen funktionierenden Flughafen braucht, oder dass als Alternative eine direkte Zugverbindung zum Flughafen Verona eingerichtet werden muss. Ohne Umsteigen. Für Mitarbeiter, die nicht aus Südtirol kommen, wäre auch eine internationale Schule interessant, in der ihre Kinder vielleicht leichter Anschluss finden würden. Abgesehen davon gibt es die Dauerbrenner: die hohen Lohnnebenkosten und das teure Wohnen.

Wie beurteilen Sie die Rahmen­bedingungen für Forschung und Entwicklung in Südtirol?

Dr. Schär forscht seit Jahren in Triest, auch weil wir dort eine enge Zusammenarbeit mit der Universität pflegen. Die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sind in Südtirol mittlerweile wirklich gut, der Techpark ist toll. Für die Zukunft wäre wichtig, dass die Betriebe mit der Geheimnistuerei aufhören, wegkommen vom Betriebsegoismus und sich stärker vernetzen, austauschen und voneinander lernen, um gemeinsam Neues zu schaffen.

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