Im Einsatz für Start ups

SERIE START-UP EUREGIO (1) - Damit ein Start-up erfolgreich werden kann, braucht es eine exzellente Idee und eine hervorragende Umsetzung - aber auch Geld. Wie Gründer:innen sie überzeugen können, zu investieren, verraten die Business Angels Esther Ausserhofer und Simon Thun.

Nicht alles ­allein machen wollen

SWZ: Warum engagieren Sie sich als Business Angel?

Esther Ausserhofer: Ich bewundere, wenn junge Menschen tolle Ideen haben und sich auch trauen, etwas daraus zu machen, wenn sie den Mut haben, Neues zu probieren, und an sich und ihre Idee glauben, die Lust und die Energie aufbringen, sich voll reinzuhängen. Und ich glaube daran, dass Start-ups ein, wenn nicht gar DAS Businessmodell der Zukunft sein werden – weil es viele Menschen mit tollen Ideen gibt. Nicht alle haben das Umfeld, diese auch zu realisieren – hier müssen wir ansetzen und unterstützen. Aus diesen Gründen bin ich nicht „nur“ Business Angel, sondern ebenso Mentorin für Start-ups im NOI Techpark und bei der Handelskammer.

Wie unterstützen Sie Start-ups bzw. Gründer:innen?

Als Business Angel mit Investments und vor allem auch mit meiner Erfahrung, mit fachlichem und auch unternehmerischem Know-how und im Austausch, wenn ich den Start-uppern mitgebe, was aus meiner Sicht funktionieren kann und was nicht, sie vernetzen, offen sein und ehrliches konstruktives Feedback geben – zur Idee, zum Businessmodell und auch zu ihnen als Personen/Unternehmer:innen. Und nicht zuletzt, indem ich an sie glaube.

Was braucht ein Start-up, um erfolgreich zu werden?

Neben einer guten innovativen Idee braucht es Menschen bzw. Grün­der:innen, die nicht nur die notwendigen Kompetenzen, die Leidenschaft und die Freude an der Idee mitbringen, sondern genauso Menschen mit dem Mut, etwas zu riskieren, die Lust haben, sich voll reinzuhängen, offen sind für Inputs von außen, von Expertinnen und Experten, die bereit sind, sich unterstützen zu lassen und neue Wege einzuschlagen, wenn der erste oder der zweite nicht funktionieren.

Ich persönlich glaube fest an Gründerteams mit diversen Kompetenzen und klarer Vision. Wichtig ist, dass sie vernetzt denken, nicht glauben, alles alleine machen zu müssen, Angst haben, über die Idee zu sprechen, weil sie befürchten, jemand könnte sie ihnen wegnehmen – ganz abgesehen davon, dass eine Idee, die so einfach zu kopieren ist, eh nicht gut genug ist.

Welche sind die Branchen, in denen Sie als Business Angel tätig sind?

Derzeit bin ich für Start-ups rund um das Thema Mensch und Human Resources sowie im Food– und im Pharmabereich im Einsatz. Dies sind die Branchen, die mich am meisten interessieren. Mir ist sehr wichtig, dass bei jungen Unternehmen, für die ich mich einsetze, eine sinnstiftende Idee und ein zukunftsgerichtetes Businessmodell dahinterstehen – dann bin ich offen für alles. Start-ups, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung aus sind, interessieren mich nicht.

Wie sehen Sie das Start-up-Ökosystem Südtirol?

Es hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan, auch unterstützt durch die öffentliche Hand, den NOI Techpark, die Handelskammer, die Uni und private Unternehmernetzwerke wie das tba network­. Es gibt sicher dennoch einiges an Entwicklungspotenzial. Es muss vor allem in den Köpfen der Menschen etwas passieren – bei den Gründer:innen genausowie bei möglichen Investor:innen. Ziel sollte es sein, ein Start-up-Mindset in den Köpfen der Südtirolerinnen und Südtiroler zu etablieren.Zwar sind der Mut und der Fleiß, etwas Neues zu machen, in Südtirol seit jeher sehr stark vertreten, was uns aber nach wie vor fehlt, ist der Mut, auch mal zu sagen: „Das hat nicht funktioniert, wir müssen es anders machen!“ Diese Fehlerlernkultur ist wichtig für die Start-up-Szene. Auch offene Zusammenarbeit und offener Austausch im Netzwerk müssen sich etablieren – wir Südtiroler glauben leider noch immer zu häufig, dass wir alles allein machen und alleine schaffen müssen.

Was müsste geschehen, um die Start-up-Szene hierzulande voranzubringen?

Noch mehr darüber sprechen, auch in den Medien, genauso Start-ups weiter durch die vorhandenen Institutionen unterstützen. Zudem könnten eine Messe oder ein internationaler Start-up-Campus im Land etabliert werden. Und nicht zuletzt: Das Thema Start-up muss in der Prioritätenliste der Politik ganz nach oben!

Was aus meiner Sicht weniger sinnvoll wäre: eine übermäßige direkte finanzielle Förderung vonseiten der öffentlichen Hand, damit sich die Gründer:innen dann nicht auf den Förderungen ausruhen. Wichtig wäre stattdessen, sie noch stärker untereinander und auch international zu vernetzen, ebenso wie die bereits etablierten Unternehmen in Südtirol noch aktiver einzubinden. Ich bin überzeugt, dass die Innovation etablierter Unternehmen in aller Welt in Zukunft vor allem durch Start-ups passieren wird.

An Ideen fehlt es nicht

SWZ: Wie kommt es, dass Sie Start-ups als Business Angel unterstützen?

Simon Thun: Ich habe meine ersten Arbeitserfahrungen im Bereich Start-ups gemacht. Als ich dann ins Familienunternehmen – die Bozner Thun AG, inzwischen Lenet-Gruppe – eingestiegen bin, war ich anfangs natürlich stark mit der Unternehmensführung beschäftigt, habe aber gleich auch nach Möglichkeiten der Diversifizierung des eigenen Business gesucht. Es sollten interessante Wege sein, die einen Synergieeffekt zur Core-Tätigkeit der Lenet-Gruppe haben. In diesem Sinne ist der Großteil der Investments im Logistikbereich, im Retail oder im Digitalen angesiedelt.

Was bedeutet es für Sie, als Business Angel tätig zu sein?

Es bedeutet sicher Kapitalgebung, aber vor allem Know-how-Vermittlung. Und Know-how können wir – wenn ich die drei Generationen heranziehe, die Thun inzwischen existiert – als Unternehmer-Veteranen sehr viel vermitteln. Wobei wir zugleich sehr viel von Start-ups lernen, die Probleme aus anderen Blickwinkeln sehen. Es entstehen für beide Seiten Mehrwerte, wenn man sich austauscht und Dinge gemeinsam angeht. Wesentlich sind also Mehrwerte und Synergieeffekte, nicht die Rendite, die ich mir irgendwann vielleicht von einem Investment erwarte.

Sind die Start-ups, in die Sie bis dato investiert haben, Südtiroler?

Leider noch keine, aber ich hoffe, dass sich das durch meine Mitgliedschaft im tba network ändert.

An welchen Start-ups sind Sie beteiligt?

Zwei Beispiele: Was den Bereich E-Commerce und Retail anbelangt, sind die Themen Nachhaltigkeit und Second Hand große Trends; wir haben deshalb in Lampoo.com investiert, ein Mailänder Start-up für Second Hand im Luxus-Fashion-Bereich. Lampoo konnte inzwischen mehrere Finanzierungsrunden erfolgreich abschließen und hat eine 45-Millionen-Euro-Bewertung. Wir waren ziemlich früh dabei, und können uns gut austauschen, was technologische Lösungen für den E-Commerce anbelangt.

Beispiel Nr. zwei?

Freightools, eine Logistikplattform in Israel, die die billigste Lösung sucht, wenn jemand einen Container von A nach B schicken möchte. An Technologischem können wir hier viel lernen, genauso ist es aber wichtig, einen Netzwerkkontakt in Haifa zu haben, das sich zum Silicon Valley diesseits des Atlantik entwickelt hat, wo viele digitale Unternehmen ihren Entwicklungssitz haben. Auch Lenet hat inzwischen dort ein kleines Office. Heute ziehen wir Nutzen daraus, in Israel Innovation zu betreiben und Softwarelösungen für die eigenen Brands zu entwickeln, aber diese über unsere Firma Connecthub auch zu verkaufen.

Die Beispiele zählen zu jenen Investments, die besser laufen, es gibt aber auch andere … Es geht nicht immer alles auf. Aber als Risiko- und Start-up-Investor muss man diese Möglichkeit miteinbeziehen und das Portfolio als Ganzes sehen.

Wie sehen Sie das Start-up-­Ökosystem in Südtirol?

Ich habe den Eindruck, dass die Anbindung der Start-ups an die lokalen Unternehmen noch fehlt. Es müsste diesbezüglich wohl mehr getan werden – sowohl von Privaten selbst als auch vom Land. Was die öffentliche Hand alles machen kann, sieht man am Beispiel Frankreich, wo derzeit sehr viel Erfreuliches in diesem Bereich passiert.

An guten Ideen fehlt es hierzulande aber nicht?

Absolut nicht. In Südtirol treffen die kreative Kultur Italiens und die Effizienz des deutschen Sprachraums aufeinander – wir haben hier das Beste von beidem. Für Start-ups aber fehlt das Umfeld, der Nährboden. Das Umfeld muss die Privatwirtschaft schaffen, die Voraussetzungen die öffentliche Hand.

Was mir am meisten leid tut, ist, dass die fähigsten Köpfe mit den besten Ideen momentan nicht in Italien Fuß fassen wollen, weil die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind.

Interviews: Simone Treibenreif